Die Spiralen der Katharina Ibanez

Strohhut, Kollektion Ceremonie 2017, Katharina M., Material: italienischer Weizenstroh. Foto Olaf Meyer © Katharina Ibanez.

Was hat der Blick auf einen unendlich weiten Himmel, womöglich durch ein Blätterdach, über die Silhouette einer schroffen Felsformationen oder einfach nur über das weite Meer, mit dem Kopfputz der Dame zu tun?

Garnichts, möchte man meinen, wenn man Katharina Ibanez nicht kennt. Es ist die Spirale, die sich in den Himmel schraubt; denn deren Drängen nach oben, in die unendliche Ferne, ist die formale Konstante und damit der unverkennbare Stil der Modistin, die für ihr Label ein M. an den Vornamen fügte. Einst inspiriert von den stilisierten und reichen Verzierungen und Ornamenten der Arabesken, bevorzugt sie heute die schlichtere, klarere Linie der Spirale, der sie in unendlichen Variationen nachgeht.

 

 

Blauer Hut von Katharina M., Kollektion Ceremonie 2016, Material „Parasisal“, Seidenbordüre. Foto: Christian Borth, © Katharina Ibanez.

 

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Luftwurzeln

 

Die in München geborene, sonst aber kaum an einen Ort gebundene Modistin sagt von sich selbst, sie habe Luftwurzeln. Und wenn sie eine Boutique ausstatten würde, dann wäre diese lichtdurchflutet und einige, wenige Pflanzen würden wie Skulpturen in den Raum hineinwachsen. Es wäre ein Raum einer grünen Oase gleich, mit hoher Decke und kleinen Nischen, einzig dazu geschaffen, Hüte an einem geschützten Erdflecken zu präsentieren.

An der Idee für eine neue Kollektion arbeitet Ibanez etwa einen Monat lang. In dieser Zeit folgt sie einem roten Faden, wobei sie meist mit einem starken Gedanken hadert und ihn verarbeitet. Vor ihrem inneren Auge schiebt sie dann Materialien, Linien und menschliche Körper, Köpfe und Gesichter hin und her und schaut, wie Licht und Schatten sich in den Zwischenräumen verhalten.

 

 

Der Koffer für die Fashion-Week in Paris ist fertig gepackt. © Maja Peltzer

 

Nach einigen Skizzen und Materialproben schließlich greift Ibanez zu den ausgewählten feinen Strohgeflechten, unterschiedlichen Tierhaarfilzen, luxuriösen Geweben und weiteren durchaus ungewöhnlichen Materialien und fertigt mit Hingabe und Präzision die filigranen Stücke ihrer Kollektionen und Maßanfertigungen.

 

Filzhut aus der Winterkollektion 2015/16 von Katharina M., Material: Woll-Filz. Foto: Olaf Meyer © Katharina Ibanez.

 

 

Absolut Contempora

 

Auf die Frage, ob sie mit ihren Hüten historische Vorbilder aufgreift, antwortet Katharina Ibanez vehement mit Nein und fügt hinzu: ich bin absolut „contempora“. Der kreative Teil meiner Arbeit ist stark von der Beschäftigung mit „le vide, le creux“ mit der Leere und der Höhlung geprägt, sagt die Modistin, die jahrelang in der Pariser Haute-Couture arbeitete. Es ist, als würde ich die Leere mit der Form umfangen, das kann ein Tanz mit dem Material sein, manchmal aber auch ein Kampf: ich reiße, zerschneide und transformiere den Hutstumpen und andere Materialien auf eine Weise, die mit der konventionellen Arbeit einer Modistin nichts mehr zu tun hat. 

 

 

Katharina Ibanez. Mit freundlicher Genehmigung von ©Corinne Mariaud.

 

Aus dieser wild anmutenden Herangehensweise entstehen Hüte mit überraschenden Effekten: kühne Schwünge, wellenförmige Doppelkrempen und unerwartete Durchblicke – und dabei bietet jede Perspektive einen neuen, unerwarteten und aufregenden Aspekt. Und obwohl die Hüte, Mützen und Accesoires aus dem Hause Katharina M. herkömmliche Konzepte vom Hut überwinden, sind sie von unglaublicher Eleganz und Leichtigkeit und halten so dem Anspruch von Katharina Ibanez, absolut zeitgemäß zu sein, stand.

 

Hut in Weiß, Kollektion Ceremonie 2017, Katharina M., Material „Parasisal“, Seidenbordüre. Foto: Christian Borth © Katharina Ibanez.

 

 

Eine neue Klarheit

 

Eine neue Klarheit prägt die Hutkreationen von Ibanez, die Modemaximen des späten 20. Jahrhunderts wie Uneinheitlichkeit und Übertreibung im Blick hat und zudem mit historischen Eleganz- und Schönheitskonzepten wie Harmonie und Dezenz spielt, ohne daran festzuhalten.

 

Hut aus schwarzem Strickstoff, Material: Kashmir/Wolle, Winterkollektion 2014/15 von Katharina M.Foto: Christian Borth © Katharina Ibanez.

 

Ibanez hat die besondere Gabe, der Erscheinung der Einzelnen durch einen Hut das gewisse „je ne sais quoi“ – ein „ich weiß nicht was“ hinzuzufügen und deren Persönlichkeit leuchten zu lassen. Dabei gelingt ihr, was Literaturwissenschaftlerin und Modetheoretikerin Gertrud Lehnert in ihrem Buch „Modeschöpferinnen vom 18. Jahrhundert bis heute“ als das visuelle Phänomen gegenwärtiger Moden beschreibt: der Banalität der gegenwärtigen Kultur eine neue Sorgfalt entgegenzusetzen und elegant zu sein, indem für die eigene Erscheinung eine eigene Handschrift gefunden wird.

 

 

Graue Filzkappe, Winterkollektion 2014/15 Katharina M.,
Material: Hasenhaarfilz. Foto: Olaf Meyer © Katharina Ibanez.

 

 

Haute Couture

 

Wer in der Haute Couture als Modistin und Designerin arbeitet, beherrscht nicht nur Stich- und Materialbearbeitungstechniken, die von besonders ausgefeilten Fähigkeiten und handwerklichem Geschick zeugen. Es bedarf mehr: zur handwerklichen Brillanz kommt eine starke bildnerische Assoziationskraft und gestalterische Freiheit hinzu, mit der Ibanez dem Impuls der Mode, konstant Neues zu schaffen, nachgeht. Sie folgt dieser auch als Flüchtigkeit bekannten Eigenschaft der Mode, die beständig neue Wahrnehmungsangebote macht und auf diese Weise, wie Lehnert in ihrem Artikel Mode und Moderne schreibt, die Sinne wachhält.

Nicht immer scheinen die Wahrnehmungsangebote, die Ibanez macht, dabei auch alltagsvergträglich und wirklich auf Tragbarkeit ausgerichtet. Das hört sich wie ein Widerspruch an, für den, dem die hohe Modekunst der Laufstege und die zu besonderen Anlässen getragene „Kleidung“ nicht geläufig sein mag und dem angeraten sei, sich dennoch auf das Abenteuer einzulassen und sich mit Haute Couture zu beschäftigen.

 

Hut in verschiedenen Rottönen der Kollektion Ceremonie 2016 von Katharina M., Material: Sisol. Foto: Pierre Elmerich © Katharina Ibanez.

 

Zeitgemäß ist hier das Prinzip der Überschreitung, der Überschreitung des menschlichen Körpers und der Grenzen zwischen Mode und Kunst. Das Spiel mit dem Körper und die Gradwanderung, sich vom menschlichen Körper zu befreien, ohne ihn je außer Acht lassen zu können, denn er bleibt ja der Träger der „Kunstobjekte“, prägt heutige Haute-Couture-Schauen und ist Inspiration für Alltagsmoden. Diese Spannung zwischen dem grenzüberschreitenden Schöpferdrang und der notwendigen Anwendbar- und Tragbarkeit macht die Arbeit in der Haute Couture und an ihren Hüten für Ibanez so attraktiv, dass sie ihr ihr Leben widmet.

 

 

Eleganz

 

Gilt heutzutage die Betonung der eigenen Individualität durch Bricolage und eine auf die eigene modische Handschrift angewendete Sorgfalt als elegant, so steht in Frage, was denn darüber hinaus das Charakteristikum jeder eleganten Erscheinung sei. Zu einer Konferenz über Eleganz im Jahre 2014 schreibt Hannes Böhringer, dass elegante Lösungen leicht wirken, weil in ihnen noch die Schwere der Schwierigkeiten nachschwingt, die gelöst wurden. Und weiter: Die Eleganz ist im Kern […] eine immer wieder überraschende, beglückende neue Lösung. Mit diesen Gedanken bezieht er sich auf Paul Valéry, der im Jahre 1922 den Zusammenhang von Eleganz und Leichtigkeit prägnant zusammenfasste.

Elegantia – Das bedeutet, Freiheit und Ökonomie ins Sichtbare übertragen – Ungezwungenheit, Leichtigkeit in – schwierigen Angelegenheiten.

   Finden, ohne den Anschein zu erwecken, gesucht zu haben

   –

  Tragen / Ertragen / , als ob man kein Gewicht spürte, – Wissen, ohne offenzulegen, daß man gelernt hat.

  Und am Ende den Schein, wenn nicht gar die Wirklichkeit des Preises, den die Dinge gekostet haben, verschwinden lassen.

 

Hut in Fucsia aus der Kollektion Ceremonie 2016 von Katharina M., Material „Parasisal“. Foto: Christian Borth © Katharina Ibanez.

 

 

Berlin 

 

Berlin ist nicht elegant, aber eine Gartenstadt, sagt Ibanez über die Vor- und Nachteile ihrer neuen Wahlheimat. Eigentlich brauche ich Sonne und hier ist es manchmal so grau und greuselig, aber überall sind Bäume und mit Berlinern kann man so herrlich lachen. Und die Mode in Berlin? Die Stadt hat viele Stile, einiges erinnert mich an die 60er Jahre und ist so starr. Vielleicht kommt das daher, dass Kleidung hier auf dem Papier entworfen wird und nicht wie in Paris am Körper oder auf der Kleiderpuppe. Ja…Mode geht mir ab in Berlin, aber es wird besser, seit drei Jahren wird es besser. 

 

 

Turban in Taupe, Winterkollektion 2013/14, Strickstoff, Kashmir/Wolle. Foto: Delphine Graticola © Katharina Ibanez.

 

In dem Berliner Atelier ihrer Firma Katharina M. arbeitet Ibanez an ihren Einzelbestellungen und Kollektionen. Wenn eine neue Kollektion fertig ist, verschickt sie Kataloge und nimmt dann Bestellungen auf. Auch zu den großen Mode-Events, wie der Fashion-Week in Paris, Mailand und New York reist sie an, mietet einen Showroom und führt dort ihren Händlern, z.B. dem japanischen Modehaus Matsuya Ginza, Kollektionen vor. Ganz besonders liegt ihr zudem die Arbeit an Einzelbestellungen nach Maß, weil sie hier auf das Wesen, die Physiognomie und das Outfit der Klientin individuell eingehen kann. Aber ob Kollektion oder Maßanfertigung, welche Schwere Ibanez auf dem Weg zu ihren Kreationen auch überwunden haben mag, ihre Hüte erzählen einzig von himmlischer Leichtigkeit und Eleganz.

 

 

Filzhut in Braun aus der Winterkollektion 2015/16 von Katharina M., Material: Hasenhaarfilz, Velour, Foto: Olaf Meyer © Katharina Ibanez.

 

 

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Le vedute dello capello di Katharina M. Nr. 1, 2017, © Maja Peltzer

Le vedute dello capello di Katharina M. Nr. 2, 2017, © Maja Peltzer

 

 

Literaturverzeichnis:

Lehnert, Gertrud, 1998, Frauen machen Mode. Modeschöpferinnen vom 18. Jahrhundert bis heute. Dortmund, Kapitel: Mode als Spektakel: Vivienne Westwood.

Lehnert, Gertrud, 2005, Mode und Moderne, unter IV. Diskurse der Mode in Mentges, G. [Hg.], Kulturanthropologie des Textilen, Berlin: 251-264.

Böhringer, Hannes, 2014, ELEGANZ. Eine Konferenz.

Valéry, Paul, 1922, Elegantia. In: Cahiers / Hefte, Paul Valéry. 1987, Köhler, H. [Hg.], Auf der Grundlage der von Judith Robinson besorgten franz. Ausg., FaM.: 424.

Und wer Lesenswertes über die Haute-Couture von 2017 sucht, dem empfehle ich einen Artikel aus The New Yorker von Rebecca Mead mit dem Titel Iris van Herpen’s Hi-Tech Couture, The designer combines 3-D printing and hand stitching to reimagine the possibilities of the human body in The New Yorker, Profiles, September 25, 2017 Issue.