Camouflage im KUNSTRAUM

Marc Brandenburg, Loop X, 2018, Digitales Video im KUNSTRAUM abfotografiert. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Galerie.@Maja Peltzer


Der KUNSTRAUM im Waschhaus Potsdam zeigte UNITED MINDFUCKS OF COLOR – Die „Camouflage Pullover“ von Marc Brandenburg vom 15.9.- 14.10.2018

 

Auf die großen Wände des Potsdamer KUNSTRAUMs sind Videoarbeiten, die Marc Brandenburg mit einem Smartphone machte, projiziert. Über acht Projektoren laufen digitale Filme, in denen verschiedene Darsteller die Camouflage Pullover anziehen und sich dann in fest vorgegebenen Choreographien durch und an unterschiedlichen Orten der Stadt bewegen.

Marc Brandenburg, Loop 1, 2018, Digitales Video im KUNSTRAUM abfotografiert. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Galerie@Maja Peltzer

Zur Ausstellungseröffnung erzählt Marc Brandenburgs Weggenosse und Kunstjournalist Oliver Koerner von Gustorf in einer bewegenden Rede, dass er Brandenburg nach dem Mauerfall kennenlernte. Wir trugen damals Kopftücher und Ketten aus vergoldeten Kastanien und waren Westberliner Szene-Pflanzen: Hausbesetzer, Leute die rausgehen und im Off-Space aktiv sind, außerhalb von den Systemen einer selbstbezogenen, etablierten Kunst- und Kulturszene. Der Mauerfall war gerade 3 Jahre her. Die rassistisch motivierten Angriffe auf das Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter im sogenannten Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen und die L.A. Riots, bei denen vier Polizisten (drei Weiße und ein Latino) den Afroamerikaner Rodney King schwer misshandelt hatten, aber straffrei davonkamen, wogen schwer. Und uns ging es darum, die Menschen außerhalb des Kulturbetriebs zu erreichen und wie Keith Haring Kunst für alle zu machen. Zur der Zeit hatten wir vom Kunstbetrieb überhaupt keine Ahnung. Dann vollzieht er einen Zeitsprung in die Gegenwart und meint, das habe sich 30 Jahre später zwar geändert, die Aggressionen von rechts hingegen seien wieder da.

Marc Brandenburg, Camouflage Pullover, 2018, Vakuumverpackung, der Kleiderständer stand bei der Vernissage  im oberen Stockwerk vom KUNSTRAUM. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Galerie. @Maja Peltzer

Die Vorgeschichte: Tarnpullover

Der Auslöser, Pullover mit Händen und Köpfen zu machen, waren Übergriffe, denen Brandenburg sich Anfang der Neunziger Jahre selbst ausgesetzt fand. Er reiste mit Koerner von Gustorf und anderen Freunden in das im Vergleich zu heute tolerante Dänemark, als sich auf der Fähre eine bedrohliche Situation entwickelte. Marc trug zu der Zeit einen Afro und die Menschen unter Deck fingen an, ihm in seine Haare zu greifen. Dann kamen sie immer näher, bedrängten uns und verhielten sich überhaupt so, als hätten sie noch nie einen Schwarzen gesehen. Die Aggression richtete sich gegen uns und zwei weitere Freaks, die in dieser Situation zu unseren Verbündeten wurden (O-Ton Brandenburg). Schließlich standen wir irgendwann zu viert am Bug des Schiffes und konnten es kaum erwarten, endlich auf der anderen Seite auszusteigen.

Marc Brandenburg, Loop 4, 2018, Digitales Video im KUNSTRAUM abfotografiert. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Galerie.@Maja Peltzer

Aus dieser traumatischen Situation heraus entwickelte Brandenburg 1992 die Pullover mit den angestrickten Köpfen und Händen, die in der ersten Version etwas kleiner und irgendwie niedlicher als die heutigen sind. Er stellte sie unter dem Titel Tarnpullover für Ausländer (Kommentar Koerner von Gustorf: wer sagt denn heute noch Ausländer? Deine Oma vielleicht!) Hand in Hand hängend aus und bezog sich damals wie heute explizit auf die Werbekampagne der United Colours of Benetton. 

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Die Methode

Eine Demomaske aus Burberry-Stoff, die das gesamte Gesicht verbirgt, konzipierte Brandenburg zeitgleich mit der Tarnpullover-Ausstellung. Der Bezug zu den Sturmhauben, die Autonome auf Demos trugen und auf die die Politik mit dem Vermummungsverbot reagierte, war klar. Die Burberry-Maske von Brandenburg zeigt in der Umkehrung, so Koerner von Gustorf, wie Methoden der Vermarktung den Subkulturen, wie z.B. dem Punkrock, die Aussagekraft nehmen oder sie modifizieren. Auf diese ebenso in der Benetton-Kampagne wirkende Methodik verweise auch die deplazierte Niedlichkeit der Hand in Hand gehängten Tarnpullover von 1992. Zudem seien sie sichtbar selber zusammen gefummelt worden, von einer Freundin gestrickt, weder makellos noch rein und widerstrebten jedem Versuch, sachlich zu sein. 

Marc Brandenburg, Loop 6, 2018, Digitales Video im KUNSTRAUM abfotografiert. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Galerie. @Maja Peltzer

Dahinter

Vielmehr thematisierten die Tarnpullover und Camouflage Pullover die Polarität von Innen und Außen, und stellten in Frage, was künstlich und was authentisch, was die öffentliche Maske ist und was sich eigentlich dahinter verbirgt. Dabei sei, frei nach Slavoj Žižek, das was sich dahinter verbirgt, komplexer als man denkt und das Innere selbst eine Konstruktion, die nach Außen hin, ob mit Camouflage-Pullovers oder Burkas, verschleiert werde. Denn dahinter verstecke sich das Andere, das fixe Selbst, das, wäre es eine nackte Frau, die sich das Gesicht abzieht, dahinter das Nichts, die Leere, das Fremde, das Nicht-geklärte offenbarte.
Für das Heute stellt Koerner von Gustorf einen Zusammenhang her zwischen den Strategien der Mächtigen und Reichen dieser Welt, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu entziehen und der Zunahme von rassistischen Übergriffen sowie einer generellen Verzweiflung angesichts des Unklärbaren.

Marc Brandenburg, Loop 5, 2018, Digitales Video im KUNSTRAUM abfotografiert. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Galerie@Maja Peltzer

Mit dieser verzweifelnden Leere seien wir Menschen allerdings seit je her konfrontiert, sagt Koerner von Gustorf und fügt hinzu, dass das immer auch Thema von Kunst sei. Abschließend stellt er fest, dass die Masken in den Video-Bildern von Marc Brandenburg weniger dem Impuls, sich zu schützen, folgen. Sie würden  vielmehr auf das Bemühen verweisen, die Leere und den Abgrund, der hinter ihnen lauert, zu verstecken, um so nicht nur der Fremdheit des Anderen, sondern auch der eigenen aus dem Weg zu gehen.

 

Marc Brandenburg, 2018, Männer mit „Camouflage Pullover“, Außenansicht KUNSTRAUM @Maja Peltzer

 

Keine fixierten Identitäten

Als zweiten Teil der Ausstellung konzipiert Marc Brandenburg die Hängung der Camouflage Pullover zwischen Textilien in dem Geschäft International Wardrobe. 

 

Die Camouflage Pullover hängen bei International Wardrobe, 2018, Mit freundlicher Genehmigung von @Marc Brandenburg.

Hier wird (nicht nur) Textiles aus aller Welt verkauft, bei dem, wie Jan Kedves in seiner Ausstellungsbesprechung für den KUNSTRAUM schreibt, man sehr ins Schwimmen gerät, weil einem schlicht die kulturellen Referenzen und Codes fehlen. Damit sei International Wardrobe der passende Rahmen für Marc Brandenburgs Camouflage Pullover, weil es ein Ort ist, an dem Identitäten zwar vermittelt, aber nicht fixiert werden.

 

Die Camouflage Pullover hängen bei International Wardrobe, 2018, Mit freundlicher Genehmigung von @Marc Brandenburg.

Sie werden, sagt Brandenburg, über die Dauer der Ausstellung in das Sortiment des Ladens „integriert, ohne dass dafür irgendetwas anderes weggehängt wird“.

Camouflage Pullover bei International Wardrobe, 2018, Mit freundlicher Genehmigung von @Marc Brandenburg.

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Link zum KUNSTRAUM im Waschhaus Potsdam

Link zu International Wardrobe

Link zu den Arbeiten von Marc Brandenburg im MoMA.